Die Naturbrut bei Hühnern

Verschiedene Glucken mit ihren neu geschlüpften Küken

Einführung in die Naturbrut

 

Unter dem Begriff „Naturbrut“ versteht man das Ausbrüten der Eier durch die Henne selbst und das anschließende Aufziehen der Küken durch sie. Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich um die eigenen Eier der Glucke oder um solche anderer Zuchttiere handelt. Die Naturbrut unterscheidet sich grundlegend von der künstlichen Aufzucht mit Brutapparaten, bei der die Küken nach dem Schlupf mithilfe von Kunstlicht und Wärmeplatten großgezogen werden. Obwohl solche Küken oftmals zutraulicher werden, kann dies nicht mit der fürsorglichen und hingebungsvollen Betreuung durch eine Glucke verglichen werden. Küken, die im Freiauslauf von einer Glucke geführt werden, gelten als widerstandsfähiger und robuster. Die Glucke animiert ihren Nachwuchs ständig zur Futtersuche, wodurch die Küken nicht nur körperlich gefordert werden, sondern auch lernen, was essbar ist und wie sie sich bei Gefahr, zum Beispiel bei der Warnung vor Greifvögeln, verhalten sollen.

 

Die Rolle der Glucke

 

Wie bei vielen anderen Tierarten steht bei der Glucke die Versorgung und der Schutz der Nachkommen an erster Stelle, noch vor der Befriedigung der eigenen Bedürfnisse. Selbst wenn sie hungrig ist, bietet sie die verfügbare Nahrung zunächst ihren Küken an. Dieses selbstlose Verhalten zeigt sich auch bei der Bewachung und Verteidigung der Küken: Eine Hintglucke lässt ihre Jungen niemals im Stich, ganz gleich, welche Gefahr droht. Diese Eigenschaften, die dem Erhalt der Art dienen, machen für viele Züchter gerade den Reiz der Haltung von Hinthoroz aus.

 

Vor- und Nachteile der Naturbrut

 

Die Naturbrut und die natürliche Aufzucht bieten zahlreiche Vorteile, aber auch einige Nachteile:

  • Die Glucke übernimmt selbstständig die Pflege ihrer Küken.
  • Im Freiauslauf zeigt sie den Küken, welche Nahrung geeignet ist.
  • Sie warnt vor Angreifern und beschützt ihre Nachkommen.
  • Bei Streitigkeiten unter den Küken greift sie regulierend ein.
  • Die Naturbrut gilt als artgerechter.
  • Durch das Fressen von Bruteiern oder kranken Küken selektiert die Glucke schwächeren Nachwuchs aus.
  • Der starke Bewegungsdrang der Glucke sorgt für körperliche Fitness der Küken.
  • Keine zusätzliche Beheizung des Kükenstalls notwendig.
  • Kein Einsatz von Brutapparaten, Aufzuchtboxen, Wärmeplatten oder Wärmestrahlern erforderlich.

 

Nachteile sind unter anderem:

  • Eine Glucke kann weniger Eier gleichzeitig ausbrüten als ein Brutapparat.
  • Unerfahrene Glucken können Verluste (z. B. durch Totliegen) verursachen.
  • Die Brut kann nicht gezielt gesteuert werden, da sie vom Bruttrieb der Hennen abhängt.

 

Besonderheiten bei Hinthoroz

 

Ein großer Vorteil der Hinthoroz ist ihr ausgeprägter Bruttrieb, der sie von anderen Rassen, besonders den Wirtschaftsrassen, unterscheidet. Bei einer frühen Naturbrut (Februar-März) ist eine gute Ernährung der Tiere besonders wichtig: Viel Vitamine, ausreichend Mineralien und eine moderate Eiweißzufuhr sind entscheidend. Auch empfiehlt sich eine Entwurmung vor dem Legen der Bruteier. Nervöse oder unruhige Hennen werden nicht zur Brut eingesetzt, da ausgeglichene Tiere souveräner und ruhiger ihren Nachwuchs führen.

 

Das Legenest

 

Das Nest wird besonders sorgfältig mit Sägespänen und Stroh ausgelegt, um die Bruteier zu schützen. Als Legenester eignen sich kleine Plastikkisten, die sich gut reinigen und samt Henne einfach umstellen lassen. Durch das Einklappen einer Seite der Kiste können die Küken nach dem Schlupf das Nest problemlos verlassen oder wieder die Glucke aufsuchen wenn sie sich kurzfristig von der Glucke entfernt haben.

 

Legenest aus Plastik

Parasitenprophylaxe

 

Um einen Befall durch Parasiten (wie Milben oder Federlinge) zu verhindern, wird das Nest großzügig mit Kieselgur bestäubt. Auch der Gluckenstall wird mit Kieselgur behandelt, um die Küken von Beginn an zu schützen.

 

Eier unterlegen und Brutvorbereitung

 

Anhand der Legetätigkeit kann der Brutbeginn einer Henne fast auf die Woche genau abgeschätzt werden. Eier verschiedener Zuchtstämme werden rechtzeitig gesammelt und kühl gelagert. Die Anzeichen für eine brütige Henne sind leicht zu erkennen: Sie werden „zickig“, lassen sich nicht mehr so einfach vom Hahn treten und zeigen ein gesträubtes Federkleid sowie typische Gluckgeräusche.

Soll eine Henne brüten, werden ihr zunächst markierte Billigeier untergelegt, während die Bruteier kühl aufbewahrt werden. Sitzt die Henne fest auf dem Nest, wird sie nach zwei Tagen in den Gluckenstall umgesetzt. Dort bleibt sie weitere zwei Tage auf den Ersatzeiern. Erst wenn sie auch im neuen Stall fest sitzt, werden nachts die Ersatzeier gegen die echten Bruteier ausgetauscht. Pro Henne werden maximal zwölf Eier untergelegt – abhängig von ihrer Größe.

 

Erfahrungen mit dem Brutverhalten im Gemeinschaftsstall

 

Anfangs ließ ich Glucken im Gemeinschaftsstall brüten, was sich jedoch als problematisch erwies: Nicht brütende Hennen legten während der Abwesenheit der Glucke eigene Eier ins Nest, was zu Unruhe und Chaos führte. Außerdem animierte die Anwesenheit einer brütenden Henne weitere Tiere zum Brüten, sodass teilweise mehrere Hennen im selben Nest saßen, was zu Schäden an den Bruteiern führte.

Wildhühner legen ihre Eier abseits der Herde und kehren mit den frisch geschlüpften Küken zurück. Auch bei mir kam es vor, dass eine Asilhenne verschwand und nach 21 Tagen mit Küken wieder erschien.

 

                                                                                           Hennen im Legenest                       Nest im Heuschober

Der Gluckenstall

 

Nach diesen Erfahrungen erhalten brütende Hennen einen separaten, zugluftfreien und raubtiersicheren Stall mit ca. 2 m² Grundfläche und  großen, vergitterten Fenstern (die sich bei Bedarf schließen lassen). Ein kleiner, eingezäunter Auslauf mit Staubbad steht ebenfalls zur Verfügung. Als Einstreu wird eine Mischung aus trockenen Sägespänen und Einstreu von (gesunden) dem Zuchtstamm verwendet, damit sich das Immunsystem der Küken an die Umgebung anpassen kann. Grober Sand als Futterschale hilft bei der Verdauung. Ein trockenes Stallklima ist entscheidend, da Feuchtigkeit und Zugluft zu Verlusten führen können. Die Glucke nimmt im separaten Stall weniger ab und kehrt schneller zu ihrem Gelege zurück.

 

                                                                                                        Gluckenstall                          Glucke mit Küken im Gluckenstall

Ernährung der Glucke während der Brut

 

Besonders bei erstmalig brütenden Hennen wird darauf geachtet, dass sie ausreichend Nahrung und Wasser zu sich nimmt. Der Stall wird täglich von Kot befreit. Hat die Henne aber nach zwei Tagen keinen Kot abgesetzt, wird sie vorsichtig vom Nest genommen und gefüttert. Mit der Zeit nimmt sie selbstständig Nahrung auf und verlässt einmal täglich das Gelege, um sich zu bewegen, was die Verdauung fördert. Die Dauer der Abwesenheit hängt von der Außentemperatur ab: Bei 10°C kann sie bis zu einer halben Stunde betragen, bei Frost sind es nur wenige Minuten.

Normalerweise erhält die Henne handelsübliches Körnerfutter, bei starker Kälte ein energiereiches Gemisch aus Ölsaaten (Hirse, Hanf, etc.). Frischgemüse wird vermieden, um Durchfall und eine Verschmutzung des Nestes zu verhindern. Das Trinkwasser wird mit Vitaminen angereichert.

 

Freiauslauf am Gluckenstall

 

Anfangs wurde den Glucken zu früh Freilauf gewährt, was dazu führte, dass sie versuchten, in den alten Stall zurückzukehren. Heute bleiben sie nach dem Umsetzen einige Tage im Gluckenstall, bis der Drang nach draußen nachlässt. Erst danach wird ihnen Zugang zum Auslauf gewährt. Nach 1–2 Wochen haben sie sich an die neue Umgebung gewöhnt, was später den Küken zugutekommt. Dennoch ist es eine Erleichterung, wenn die Glucke und die Küken schließlich gemeinsam nach draußen können.

 

Schieren der Bruteier

 

Viele Züchter durchleuchten die Bruteier ab dem siebten Tag, um unbefruchtete Eier auszusortieren. Ich verzichte darauf, da bislang alle Eier befruchtet waren und die Schlupfquote bei nahezu 100% lag. Ein Schierapparat lässt sich einfach selbst bauen: Eine Taschenlampe und eine Papprolle genügen, um befruchtete von unbefruchteten Eiern zu unterscheiden.

 

Unbefruchtetes Brutei

Fressen der Bruteier und Versorgung der Küken

 

Meist sortieren die Glucken unbefruchtete Eier selbst aus, indem sie diese gegen Ende der Brutzeit fressen. Auch kranke oder tote Küken werden gefressen, vermutlich um Raubtiere nicht anzulocken und Energie zurückzugewinnen. Werden jedoch gesunde Küken gefressen, sollte die betreffende Henne nicht weiter zur Zucht eingesetzt werden. Die Schalen der ausgebrüteten Eier werden von manchen Hennen ebenfalls gefressen. Ab dem 20.–21. Tag wird nach den ersten Küken geschaut. Bisher gab es keine Probleme beim Schlupf, und die Glucke versorgt die Küken zuverlässig. Eine Beheizung des Stalls ist bei Hinthoroz auch bei Temperaturen unter -10°C nicht notwendig.

 

Info Kieselgur

 

Kieselgur ist ein für Mensch und Tier unbedenkliches Algengranulat mit einer Körnung von 4–20 µm. Es zerstört den Panzer von Schädlingen und sorgt dafür, dass diese austrocknen. Kieselgur ist ökologisch unbedenklich, frei von Bioziden und Insektiziden, und es können keine Resistenzen entstehen. Es wirkt gegen alle kriechenden Insekten und Spinnentiere, wie Tierläuse, Flöhe, Ameisen, rote Vogelmilbe, Haarlinge und mehr. Beim Ausbringen sollte eine Staubmaske getragen werden, und der Stall sollte nur maßvoll eingestäubt werden, damit die Tiere nicht dauerhaft dem Staub ausgesetzt sind. Im Außenbereich kann Kieselgur dem Sand im Staubbad beigemischt werden.

 

Andi Haller

Staubbad im Freien. Wird zu jeder Jahreszeit immer gerne benutzt